An der Schule ist man weniger allein

Sechs Schüler der fünften und sechsten Klassen werden vor Ort unterrichtet

Schülerin Isabell macht Online-Unterricht in der Schule. Sie sagt, sie kommt gut mit dem Programm zurecht. Zu Hause müsste sie alleine lernen. (Foto: Rüdiger Koslowski)
Schülerin Isabell macht Online-Unterricht in der Schule. Sie sagt, sie kommt gut mit dem Programm zurecht. Zu Hause müsste sie alleine lernen. (Foto: Rüdiger Koslowski)

Isabell schaltet den Computer ein, lockt sich in das Programm MS Teams ein und wählt ein Schulfach aus. Die Schülerin der sechsten Jahrgangsstufe an der Anne-Frank-Schule in Raunheim wirkt dabei routiniert. Mit den Augen überfliegt sie die Arbeitsaufgaben, die sich auf dem Bildschirm öffnen. Isabell ist eine von sechs Schülern der Jahrgangsstufen fünf und sechs mit insgesamt 184 Schülern, die derzeit an der Integrierten Gesamtschule präsent sind - abgesehen von den neunten und zehnten Klassen, die sich im Präsenzunterricht auf ihre Prüfungen vorbereiten.

Die Eltern der sechs Kinder sind berufstätig. Isabell könne in ihrem Alter durchaus alleine zu Hause bleiben, versichert sie, aber ihre Mutter befürchte, dass ihre Tochter dann die Schule schleifen lasse. Isabell löse die Aufgaben gerne an der Schule, denn dort ist sie nicht alleine. Die sechs Mitschüler werden von einem Lehrer betreut.

Die Präsenz-Schüler werden an der Anne-Frank-Schule übrigens nicht frontal unterrichtet, informiert Schulleiterin Petra Boulannouar. Vielmehr bekommen sie einen Arbeitsplatz mit einem Computer zugewiesen und schalten sich der Online-Konferenz ihrer Klassenkameraden zu. Denn alle Klassenkameraden sollen gleichwertig unterrichtet werden. Das funktioniert so: Die Schüler kommen einmal in der Woche in die Schule, wo sie von ihrem Klassenlehrer die Aufgaben aller Fachlehrer in einer Art Lernpaket abholen. Die Arbeitsgrundlagen werden nicht über das Internet verschickt, weil nicht jede Familie über einen Drucker verfügt.

Für jedes Fach auf dem Stundenplan steht Online-Unterricht an. Die Lehrer begrüßen die Schüler und besprechen Fragen. Dann klinken sich die Kinder wieder aus und erledigen ihre Aufgaben. Zwischenfragen sind möglich. Wenn die Schüler eine Woche später neue Arbeitsmaterialien abholen, geben sie die erledigten Aufgaben ab.

Dass nur sechs Schüler in die Schule geschickt worden seien, habe sie durchaus überrascht, merkt Boulannouar an. Nach ihren Informationen würden alle anderen Kinder daheim betreut.

Schwieriges Lernumfeld daheim
Bei zwei oder drei Kindern, die sich im Distanzunterricht befinden, befürchtet die Schulleiterin, dass sie den Anschluss verlieren könnten. Denn sie würden in relativ großen Familien leben und zu Hause nicht vernünftig arbeiten können. Diese Schüler hätten besser in die Schule kommen sollen, aber ihre Eltern hätten Angst, dass sich die Jugendlichen mit dem Coronavirus anstecken könnten.

95 Prozent aller rund 580 Schüler der Schule seien inzwischen mit einem Computer, Tablet oder Smartphone ausgestattet. „Wir haben viel Energie aufgebracht, damit alle Schüler versorgt sind“, sagt Boulannouar. Die Anne-Frank-Schule habe ausgemusterte Computer von Firmen erhalten und sie für den Lernbetrieb umgebaut. Zudem seien vom Kreis nicht mehr benötigte Computer an die Schule gegangen. Nach den Sommerferien seien zudem Tablets aus dem Digitalpakt des Landes hinzugekommen.

Schüler ohne Endgeräte hätten sich bereits vor den Sommerferien bei den Klassenlehrern gemeldet. Die Schüler, die noch keinen Computer haben, sollen bald einen erhalten. Die Schule erwarte in der kommenden Woche 20 weitere PCs vom Kreis Groß-Gerau.

Weil immer mehr Schüler von zu Hause aus unterrichtet werden, rechnet Boulannouar mit Engpässen in Familien mit mehreren Kindern. Denn nicht jede Familie habe mehrere Computer. Zudem gebe es immer wieder Verbindungsprobleme mit dem Internet.

Bärbel Hirte, die Stufenleiterin für die Jahrgangsstufen fünf bis sieben, beurteilt den Distanzunterricht insgesamt positiv. Allerdings könne beim Online-Unterricht nicht so viel Lernstoff in der Stunde umgesetzt werden wie während des Präsenzunterrichts. Zum einen sei die Internetverbindung nicht so stabil wie gewünscht, zum anderen koste die Bedienung einzelner Funktionen Zeit. Für die Vorbereitung der Online-Stunde benötigten die Lehrer ebenfalls mehr Zeit.

Im Februar gibt es für die Lehrer einen pädagogischen Tag zum Thema Methodik und Didaktik zur Vorbereitung für den Online-Unterricht, kündigt Boulannouar an. Sie lobt ihr Kollegium für die engagierte Arbeit.

Die Anne-Frank-Schule beteilige sich darüber hinaus an einem bundesweiten Wettbewerb der Bertelsmann-Stiftung zur Erstellung eines Konzeptes für den Online-Unterricht. Unter 366 teilnehmenden Schulen habe sie sich mit 120 weiteren Schulen für die zweite Runde qualifiziert, teilte die Schulleiterin mit.

Erschienen am 22.01.2021 im Rüsselsheimer Echo
Autor: Rüdiger Koslowski

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