Rabbi Apel an der Anne-Frank-Schule Raunheim zu Besuch

Toleranz lebt von der Begegnung.

Mit diesem Motto wurden die Schülerinnen und Schüler der Anne-Frank-Schule Raunheim am 21. Februar 2022 konfrontiert, nachdem folgende Frage gestellt worden war: „Was weißt du über Menschen jüdischer Herkunft?“

Im Rahmen des Ethikunterrichts und der Gesellschaftslehre konnten die Schülerinnen und Schüler zahlreiche Antworten geben. Viele dieser Antworten jedoch zeugten von nur oberflächlichem Wissen, Unwissen oder gar Vorurteilen. Vorurteile, die bedauerlicherweise Juden zugeschrieben werden und sich seit vielen Jahrhunderten durch die Geschichte ziehen.
Im schulischen Kontext wirft dies Fragen auf. Zuweilen sprechen die Schülerinnen und Schüler von eigenen Erfahrungen mit Vorurteilen. Aber woher kommen Vorurteile? Wie gehe ich mit eigenen Vorurteilen um? Können diese durch Begegnungen abgebaut werden?

Rabbi Avichai Apel von der Frankfurter Synagoge Westend nahm in diesem Zusammenhang die Einladung an unsere Schule gerne an.

Am 21. Februar begaben sich mehr als die erwarteten vierzig Schülerinnen und Schüler der Klassen 9 und 10 in die Aula der Schule.

Rabbi Apel stellte sich vor, erzählte kurz von sich und seiner Familie und warf sogleich die Frage in den Raum: „Was ist ein Jude?“

Die Antworten waren denen im Unterricht nicht unähnlich. Rabbi Apel antwortete sehr freundlich, sachlich und fundiert auf diese Fragen. In dieser Stimmung der gegenseitigen Achtung stellten nun die Schülerinnen und Schüler persönliche Fragen wie die Erfahrung der Shoah in Rabbi Apels Familie. Er erwähnte das Schicksal seiner Schwiegereltern und deren Verwandten, die in großer Zahl den Holocaust nicht überlebt hatten. Betroffen von diesem Schicksal, wollten zwei Schülerinnen und ein Schüler von Rabbi Apel wissen, ob er in Deutschland selbst von Diskriminierung betroffen sei. Er bestätigte verbale Aggressionen und Verunglimpfungen.

Wenn Schülerinnen und Schüler, die selbst von eigenen Diskriminierungserfahrungen sprechen, von Diskriminierungen einer anderen Person erfahren, besteht da nicht die Hoffnung, dass man aufeinander zugeht, sich gegenseitig zuhört und die Perspektive des Gegenübers einnimmt? Das Treffen war von dieser Bemühung getragen.

Rabbi Apel wandte sich nun an die Schülerinnen und Schüler und betonte die Möglichkeit des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlichster Kulturen und Konfessionen. Er verwies auch auf die gemeinsamen Wurzeln der monotheistischen Religionen, des Judentums, des Christentums und des Islam.

Hier fragte der Gast die mehrheitlich muslimischen Zuhörerinnen und Zuhörer, was sie über die Gemeinsamkeiten zwischen Judentum und Islam wüssten.

Sofort meldete sich ein Schüler und erwähnte den gemeinsamen Verzicht auf Schweinefleisch, eine Schülerin brachte die Betonung auf einen Gott zur Aussprache. Bei aller Gemeinsamkeit gebe es auch Unterschiede, betonte Rabbi Apel. Und die gelte es auf beiden Seiten zu respektieren, das sei wahre, gelebte Toleranz.

Die Begegnung mit Rabbi Apel erwies sich als eine zutiefst menschliche, angenehme und lehrreiche Erfahrung, in der die Schülerinnen und Schüler immer interessantere Fragen stellten. Diese beantwortete der Gast mit großem Einfühlungsvermögen, breitem Wissen und Geduld.

Im Gespräch mit den Lehrkräften betonte Rabbi Apel die Höflichkeit und den Wissensdurst der Schülerinnen und Schüler der Anne-Frank-Schule. Er würde sich über weiteren Kontakt mit der Schule freuen und uns gerne noch einmal besuchen. Wir heißen ihn herzlich willkommen.

Bei der Nachbesprechung mit den Schülerinnen und Schülern im Unterricht konnte ich vernehmen, dass dieser Tag zahlreiche schöne Eindrücke und neue Erkenntnisse mit sich brachte.

Denn: Toleranz lebt von der Begegnung.

Mehmet Kazar

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